Sonntag, 7. April 2013

Album-Vorstellung: The Knife "Shaking The Habitual"

The Knife
Ein schwedisches Geschwisterpaar sorgt für Aufruhr in der Musikszene. Und das erfolgreich seit über zwölf Jahren. Karin Dreijer Andersson und ihr Bruder Olof Dreijer sperren sich dagegen, den herkömmlichen und gängigen Gepflogenheiten der Medienbranche zu entsprechen. Kaum ein anderes musikalisches Gespann umranken derartig viele Gerüchte und Spekulationen, wie es bei The Knife der Fall war und ist. Legendär sind ihre Maskeraden, mit denen sie auf Preisverleihungen, Liveshows oder in TV-Formaten den Mythos nährten, der sie von jeher ausmacht. Ob mit langen Vogelschnäbeln ausgestattet oder im Gorilla-Kostüm, wenn es darum geht, ein großes Fragezeichen auf den Gesichtern der Zuschauer entstehen zu lassen, zeigen The Knife sich gern von ihrer kreativsten Seite. Für die neusten Pressefotos beispielsweise hüpften Karin und Olof in futuristische Dragqueen-Outfits. Wunderbar verrückt ist aber nicht nur ihre visuelle Präsenz, auch musikalisch wartet das mehrfach prämierte Duo mit irrsinnigen und gleichzeitig unglaublich genialen Kompositionen auf. Vor allem in einer Zeit, in der klanglich fast nur noch aus früheren Jahrzehnten recycelt wird, können sich The Knife durch ein innovatives Psychotronica-Gemisch behaupten, das in dieser Form absolut einzigartig ist. 

Shaking The Habitual
Nun knallen sie uns ihre neue, in krasseste Neonfarben getränkte Platte "Shaking The Habituals" entgegen. Aggressiv und für das Auge kaum greifbar. Der Inhalt nicht minder bedrohlich. Seit dem letzten regulären Studioalbum "Silent Shout" sind fast sieben Jahre ins Land gegangen. Eine lange Zeit, die Karin Drejer Andersson zur Beschwörung ihres Soloprojekts Fever Ray nutze, und die eine kreationistische Electro-Oper mit dem Namen "Tomorrow, In A Year" hervorbrachte. Der Einfluss beider Projekte auf die neue Scheibe lässt sich nicht verleugnen. So wirkt "Shaking The Habitual" wesentlich düsterer als seine drei Vorgänger und auch in einigen Passagen geradezu sinfonieartig. Ein wahnhaftes, intensives Werk, nahe einem gehörten epileptischen Anfall. Mit sich anbahnenden Krämpfen in Tracks wie "Full Of Fire" und darauf folgenden Ruhephasen in "A Cherry On Top". Die zwölf Titel zeigen die unheimliche Bandbreite einer künstlerischen Genialität, die kaum noch greifbar ist. Da existieren akzentuierte Tracks wie das urwäldliche "Without You My Life Would Be Boring" neben ausgedehnten, fulminanten Klangmärschen durch ein Tal aus Schatten, das den Namen "Raging Lung" trägt. Auch an politischem Understatement sparen The Knife nicht und weben dies gekonnt in ihr Songwriting ein. Unaufdringlich und intelligent. "Oryx" spießt den Hörer schließlich mit seinen gehörnten Klängen auf, schleudert ihn durch die Luft und so landet dieser zerschunden in einer Nervenheilanstalt, die mit Drone-Sounds zur Therapie ruft ("Stay Out Here"). Resigniert wippt man letzten Endes im hospitalistischen Takt zu "Fracking Fluid Injection", bevor "Ready To Lose" das Album mit schweren Beats beendet. "Shaking The Habituals" - ein gelebter Albtraum, der anziehender und schöner nicht sein könnte. 



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