Freitag, 11. April 2014

Album-Vorstellung: Farewell Dear Ghost "We Colour The Night"

Farewell Dear Ghost
Als kleine Kinder hatten wohl viele von uns Angst vor übernatürlichen Wesen, Geistern oder Monstern. Oft haben wir unsere Eltern darum gebeten, im Schrank oder unter dem Bett nachzusehen, ob sich da auch wirklich kein gruseliger Passagier versteckt hat. Selbst der eingeforderte offene Türspalt, durch den etwas Licht in das eigene Zimmer dringen konnte, half meist nicht, die letzten Bedenken auszuräumen, dass die Schattengebilde an den Wänden eventuell doch noch zu gefräßigen Kreaturen mutieren könnten. Wenn wir älter werden, sind wir oft der Meinung, dass Spuk und Gespenster zu den Ammenmärchen gehören und dass wir immun gegenüber Furcht und Panik seien. Immerhin sind wir ja erwachsen. Dabei haben wir indes meist unsere ganz eigenen Dämonen erschaffen, die die Gedanken gern in trübe Ecken drängen und uns den Hals zuschnüren. Alltagssorgen, Lügen oder ein immer undurchsichtigeres Weltgeschehen - überall lauern Bedrohungen. Was nun? Wir können all dies verschweigen, den Kopf in den Sand stecken oder uns einfach abwenden, doch wird die Dunkelheit irgendwann überhandnehmen, wenn wir uns ihr nicht entgegenstellen. Philipp Szalay versucht mit seinem Projekt Farewell Dear Ghost, einen Soundtrack für Hoffnungsträger und Mutige abzuliefern, die sich mit klopfendem Herzen aus dem grauen Schleier befreien wollen, der sie umgibt.

"We Colour The Night"
"We Colour The Night" ist nicht nur als Albumtitel des Debüts von Farewell Dear Ghost zu verstehen, sondern darüber hinaus auch als ein klares Statement in Richtung ehrlichen Optimismus. Dass dieser auch immer an das Eingeständnis der eigenen Verletzlichkeit gebunden ist, erörtern die Lyrics der Platte, die musikalisch zwischen Indierock, Noise und Synthie-Pop verortet ist. "Demons I" und "Demons II" rahmen dabei das üppige Werk des Österreichers. Geheimnisvoll, nahezu transparent und gewichtslos. Ansonsten halten Stücke wie "Fire", das expressive "Cool Blood" oder "Fears" eine gewisse Wucht bereit, mit der sie den Hörer zu überrollen und mitzureißen versuchen. Das gelingt zwar nicht immer, doch muss man den Songs des Albums insgesamt eine Wirkung zusprechen, die es in dieser Form nur noch selten im aktuellen Klangkosmos zu finden gibt. Ein leichter Nachgeschmack des Postrocks, à la Sophia oder Tiger Lou, wirft uns aus der Gegenwart fast zehn Jahre in die Vergangenheit zurück. In eine Zeit, in der es noch erlaubt war, an der einen oder anderen Stelle etwas dicker aufzutragen und dafür den Purismus einmal Purismus sein zu lassen. Volle, satte Kompositionen, eine feinbesaitete Männerstimme und zahlreich eingesetzte Gitarrenriffs machen "We Colour The Night" zu einem Gegengewicht des oft übertriebenen Stadiumrocks und darüber hinaus zu einer Scheibe, bei der selbst Geister das Tanzen anfangen dürften.


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