Montag, 24. März 2014

Klassiker der Woche Nr. 89

Alanis Morissette
Manchmal muss es eben Pop sein. Theatralischer Herzschmerz, eingängige Melodien und ein Hauch von Plakativität. Das Bild des beliebtesten aller Genres hat sich über die Jahre stark gewandelt. In den 60ern waren es The Beatles, die den Pop als Musikrichtung groß machten. Das gelang ihnen, indem sie rockige Arrangements auflockerten und gleichzeitig an eine gewisse Massentauglichkeit knüpften. Abgeschliffene Kanten und sanfte Ränder kennzeichneten schließlich die Kompositionen des britischen Quartetts. Einen brillanten Ideenreichtum schloss das jedoch keineswegs aus. Über 30 Jahre später steht eine Frau nackt in den Straßen von Los Angeles und singt sich sprichwörtlich die Selle aus dem Leib. Das alles geschieht unter demselben Deckmantel, unter den auch die Songs der eben erwähnten Pilzköpfe einst geschlüpft waren. Das Schöne am Pop ist, dass er sich ganz unbekümmert überall da bedienen darf, wo es ihm eben gerade gefällt. Nichts ist unmöglich, wenn es gilt, Einflüsse und Impulse zu finden und zu verarbeiten. Kommen wir nun aber zurück zu der entblößten Sängerin. Alanis Morissette hat gerade mit "Jagged Little Pill" das wohl erfolgreichste Album ihrer Karriere veröffentlicht, zählt zu den gefragtesten Damen der Branche und ist doch immer noch auf der Suche nach sich selbst. So reist die gebürtige Kanadierin durch aller Herren Länder und gelangt schließlich nach Indien. Wir schreiben das Jahr 1997. Völlig überwältig von all den Eindrücken und Gedanken, die sie dort sammelt, kehrt sie schlussendlich in die Vereinigten Staaten, in denen sie zu dieser Zeit lebt, zurück und schreibt ein Stück über Zynismus, Verzweiflung, persönliche Triumphe und Hoffnung. Zu den wortgewaltigen Lyrics gesellen sich im Laufe der Zeit markante Synthesizer, berauschende Beats und dann eben auch ein Musikvideo, das für Aufruhr sorgt. Nacktheit und ein Popsong, kann das zusammen funktionieren? Definitiv! Zum Seelenstriptease hatte Alanis Morissette mit "Thank You" bereits angesetzt, warum dann also in der Konsequenz nicht auch noch jene Stoffhüllen loswerden, mit denen wir täglich etwas zu kaschieren versuchen, das doch ganz natürlich sein sollte. Unser heutiger Klassiker der Woche zeigt, dass Pop mehr sein kann, als nur die Essenz des Kollektivgeschmacks.

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