Freitag, 6. September 2013

Album-Vorstellung: Goldfrapp "Tales Of Us"

Alison Goldfrapp
Das britische Duo namens Goldfrapp nicht vollends für seine Arbeit wertzuschätzen, gleicht einem Verbrechen an der akustischen Ästhetik. Denn seit jeher schaffen es Alison Goldfrapp und Will Gregory mit Leichtigkeit, die Schönheiten des Klangspektrums vollends für sich zu beanspruchen und ausgiebig darin zu baden, als handele es sich um ein mit Honig und Milch gefülltes Bassin. Mal mithilfe filigraner Melodien, dann wieder durch den gezielten Einsatz geladener Beat-Arrangements, erschaffen die Briten stets atemberaubende Meisterwerke, die behutsam in das Kollektivgedächtnis der Hörerschaft eingebrannt werden, um die Ewigkeit zu überdauern. Im Jahre 2000 wanderten sie mit uns zum sagenumwobenen "Felt Mountain", von dessen Gipfel aus, man einen einzigartigen Blick auf cineastische Klanglandschaften genießen konnte. "Black Cherry" (2003) hingegen verband den sanften Charme seines Vorgängers mit elektrifizierten Werkstoffen, die dann auf "Supernature" (2005) den ehemals organischen Einschlag der Band ad absurdum führten und einen metallischen Humanoiden zurückließen, über den erst mit "Seventh Tree" (2008) langsam wieder Gras wachsen konnte. Ihr letztes Studioalbum "Head First" (2010) wendete sich mit offenen Armen dem Mainstream zu, schmeckte vollmundig süß wie ein Bonbon, und bewies, dass Goldfrapp auch auf dem am härtesten umkämpften Markt innerhalb der Musikbranche, zweifelsohne bestehen können. Nachdem sich Ohrwürmer wie "Rocket" und "Believer" gierig durch die Charts gefressen haben, kehren Goldfrapp mit "Tales Of Us" nun zu ihren Wurzeln zurück. Dass sie dies können, ohne dabei auch nur einen Hauch an Glaubwürdigkeit zu verlieren, verdeutlicht die übernatürliche Begabung des wundersamen Paares.


"Tales Of Us"
Wie Sirenen aus einer weit entfernten Galaxie ertönen die Rufe der Synthies zu Beginn des Openers "Jo" und entführen uns schlagartig in eine Parallelwelt, voller Geheimnisse und Rätsel. Ergänzt durch ein unaufdringliches und doch tiefschürfendes Klavierspiel sorgt der Track für erste Gänsehautwellen. Nachdem diese abklingen, erwartet den Hörer mit "Annabel" die bewegende Geschichte eines intersexuell geborenen Kindes, das verzweifelt versucht, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Ohne das beschriebene Schicksal allzu sehr zu exponieren, schaffen Goldfrapp einen feinfühligen Zugang zu dem Charakter, der auf dem gleichnamigen Roman von Kathleen Winter gründet. Das dazugehörige Video, eindrucksvoll inszeniert von der Regisseurin Lisa Gunning, unterstreicht die Behutsamkeit, mit der das Thema der Geschlechtsidentität hier behandelt wird. Die filmische Umsetzung von "Annabel" ist darüber hinaus Teil eines visuellen Projektes, das die Veröffentlichung von "Tales Of Us" als Konzeptalbum begleitet.



Zudem ist die neue Platte von Goldfrapp durchzogen von literarischen Anspielungen. In den hauptsächlich mit Vornamen betitelten Stücken begegnen dem Hörer nämlich immer wieder Figuren aus Romanen und Erzählungen. So zum Beispiel auch bei "Stranger", welches von Patricia Highsmiths "Carol" inspiriert wurde. Die geschilderte Liebesgeschichte zweier Frauen wird auf tonaler Ebene durch düstere Pop-Noir-Einflüsse belebt. "Drew" hingegen reißt mit seiner subtilen Dramatik jene Brücken zwischen Himmel und Erde ein, setzt die Schwerkraft kurzerhand außer Gefecht und beschwört einen wahrhaftigen Schwebezustand herauf. Ist dieser einmal erreicht, sind Songs wie "Ulla", "Thea" oder "Simone" nur noch als leichter, schemenhafter Schauer wahrzunehmen, der vorsichtig die Sinne streift. Einen absoluten Höhepunkt auf "Tales Of Us" bildet "Alvar", eine verwunschene, akzentuierte Momentaufnahme aus Harmoniefragmenten. "Laurel" baut sein Gerüst grazil auf das Erbe vergangener, verblühter Tage, bevor "Clay" zum finalen Schlag ausholt und mit majestätischem Antlitz das Album schließt. "Einen hab ich noch..." verbeugt sich vor diesem spektakulären Monument moderner Kunst.



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