Freitag, 3. April 2015

Album-Vorstellung: Sufjan Stevens "Carrie & Lowell"

© by Emmanuel Afolabi
Manchmal gibt es Alben, die einen tatsächlich zu Tränen rühren. So zum Beispiel das heute erschienene "Carrie & Lowell" von Sufjan Stevens. Doch was macht die neuste Platte des 1975 in Brooklyn geborenen Songwriters zu einer derart herzergreifenden Angelegenheit, dass während dieser Beitrag in das dafür vorgesehene Fenster getippt wird, ein Kloß im Hals wächst, der das Atmen zunehmend erschwert? Nun, zum einen ist es wohl die Tatsache, dass "Carrie & Lowell" als eine liebevolle Ehrwürdigung Sufjan Stevens an seine vor drei Jahren verstorbene Mutter zu verstehen ist, die zusammen mit ihrem Ehemann auch das Cover der Platte ziert. Zum anderen ist es aber auch das Gespür des amerikanischen Ausnahmekünstlers für zarte Melodien, die punktgenau jene Nerven treffen, die direkt zum emotionalen Zentrum des Gehirns führen. Nachdem Stevens sich in den letzten Jahren soundtechnisch gehörig ausgetobt hat, und dabei immer mehr in Richtung eines futuristischen Klanghorizonts pilgerte, kehrt er nun zu seinen Wurzeln zurück und besinnt sich auf die Macht der tonalen Akzentuierung.

Leise, unaufgeregt und authentisch führt "Carrie & Lowell" durch die Vergangenheit Sufjan Stevens, innerhalb derer seine Mutter immer wieder wie eine strahlende Lichtfigur an entscheidenden Weggabelungen zu warten schien. Auch, wenn sie nicht alles richtig gemacht hat, spricht doch eine tiefe Liebe und Anerkennung aus den Worten ihres Sohnes. Songs wie das erhellende "Should Have Known Better", "All Of Me Wants All Of You", das titelgebende "Carrie & Lowell" oder "Eugene" zeichnen auf rührende Art und Weise jene alltäglichen Situationen nach, die in ähnlicher Form sicher auch der eine oder andere Hörer erlebt hat, und knüpfen daran eine seichte Melancholie. Gefühle des Glücks vereinen sich mit einer dumpfen Traurigkeit, während "Forth Of July", "Blue Bucket Of Gold" oder "Drawn To The Blood" zu beinahe übersinnlichen Hymnen heranwachsen. Mit wenigen, aber den richtigen, Mitteln - allem voran seinen sensiblen Harmoniegesängen - beschwört Sufjan Stevens einen transzendenten Zustand herauf. Plötzlich hat man den Eindruck, Jen- und Diesseits würden sich für einen flüchtigen Augenblick verbinden und einen letzten Tanz mit den geliebten Verstorbenen zulassen - im Takt all der zarten Folksongs, die sich auf "Carrie & Lowell" befinden. Als eins seiner stärksten Alben wird diese Platte in den bereits gut gefüllten Backkatalog Sufjan Stevens eingehen und sich zu Meisterwerken wie "Seven Swans" gesellen.



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