Freitag, 17. April 2015

Album-Vorstellung: Emile Haynie "We Fall"

© by Alexandra Gavillet
Produzenten sind Menschen, die nur selten im Rampenlicht stehen. In ihren Studios arbeiten sie mit verschiedenen Künstlern an deren Platten, unterstützen diese als stille Helfer, versuchen das vorhandene Rohmaterial in die richtige Form zu bringen und überlassen den Ruhm dafür dann der Stimme hinter dem Mikro. Die Produktion eines Albums kann dessen Untergang oder Aufstieg bedeuten. Doch wer bedenkt das schon, wenn er eine CD in den dafür vorgesehenen Player schiebt und den darauf befindlichen Tracks lauscht? Emile Haynie begann seine Karriere, indem er zahlreichen aus Eminems Detroit-Crew stammenden Rappern bei der Realisierung ihrer Visionen half. Dies tat der heute 34-Jährige mit einer derartigen Passion, dass sich sein Talent schnell rumsprach und er schließlich mit den ganz großen der Rap-Branche wie Ice Cube, Kayne West oder Kid Cudi kollaborierte. Für Eminems 2010er Album "Recovery" gewann Haynie einen Grammy - ein erster greifbarer Preis für seine Anstrengungen. Im Laufe der Zeit streckte Haynie dann seine Arme weiter in Richtung Pop aus, ließ den Hip-Hop etwas hinter sich und lernte eine Dame namens Elizabeth Woolridge Grant kennen. Mit dieser realisierte er eins der erfolgreichsten Alben des Jahres 2012: "Born To Die".

Gerade einmal 7500 Follower kann Emile Haynie mit dem heutigen Tag bei Facebook verzeichnen. Schon seltsam, wenn man bedenkt, hinter wie vielen erfolgreichen Platten der in Bufallo, New York geborene Produzent steckt. Vielleicht hatte er dieses Schattendasein satt, vielleicht wollte er aber auch einfach zeigen, wie ein Album klingen würde, das komplett auf seinen eigenen Träumen gründet, als er sich entschied mit "We Fall" zu debütieren. Elf Songs, die von zahlreichen prominenten Gastsängern geziert werden, bilden dabei Haynies erste Werkschau.
Eröffnet wird "We Fall" von "Falling Apart", einer großen Hymne, voller sich verzehrender Romantik. Hynie selbst sieht das Stück als Hommage an die Beach Boys und bat deswegen auch deren Frontmann Brian Wilson höchstpersönlich um den Gesang für den Song. Dieser willigte ein, bekam Andrew Wyatt zur Seite gestellt, und haucht nun "Falling Apart" einen reifen Altherrencharme ein. Nicht minder opulent geht es auch bei "Little Ballerina" zu - kein Wunder, wenn man Rufus Wainwright ans Mikro zitiert. Und dann ist die Stunde bereits erwähnter Miss Grant gekommen. Hauchend, schluchzend, ja fast schon zerbrechlich, interpretiert die wohl vielen besser als Lana Del Rey bekannte Sängerin das malerische "Wait For Life" und revengiert sich somit für Haynies Hilfe, ihren ikonenartigen Ruf zu kreieren. Im Folgenden erklingt "Dirty Love" und begeistert durch einen markanten Reibeisengesang. Anstatt einen weiteren Gast für diesen Titel zu verpflichten, ist es jedoch Haynie selbst, der hier zu hören ist. Plötzlich fragt man sich, warum er nicht auf all die Featurings verzichtet und stattdessen auf sein eigenes Talent gesetzt hat. Eventuell brauchte es aber ein paar Türöffner oder Haynie traute sich nicht zu, ein komplettes Album allein auf seinen Schultern zu tragen. So sind es bei dem fast schon epischen "A Kiss Goodybe" gleich drei Unterstützer, die Haynies Melodien begleiten: Charlotte Gainsbourg, Sampha und Devonté Hynes aka Blood Orange. Wie soll man nach einem solchen Übertrack nun weitermachen? Haynie versucht es mit zwei leichteren Songs und erleidet dadurch eine erste Bruchlandung. "Fool To Me" und "Nobody Believes You" wirken gänzlich deplatziert und können mit dem Rest der Platte keinesfalls mithalten - zu R'n'B lastig und wenig ausgefeilt erscheinen sie. Nach diesem kleinen Stolperer sind es Lykke Li und Romy Croft (The xx), die "We Fall" erneut auf die Beine helfen und mit "Come Find Me" ein verträumtes Highlight für die Platte erschaffen. Zusammen mit dem Komponisten Randy Newman wagt sich Haynie kurz darauf in die Zirkusmanege ("Who To Blame"), bevor Julia Holter und Father John Misty "Ballerina's Reprise" gen Country führen. Zu guter Letzt verhallt "The Other Side" genauso gewaltig, wie "We Fall" mit "Falling Apart" begann, und erneut wagt sich Haynie selbst in den akustischen Scheinwerferkegel.
"We Fall" ist ein großes Album mit kleinen Schönheitsfehlern, die man aber zugunsten von Pathos und Opulenz gern in Kauf nimmt. Dennoch bleiben ein paar Fragezeichen zurück und man darf gespannt sein, wie diese Solokarriere weitergehen wird.



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