Freitag, 26. September 2014

EP-Vorstellung: Cancer "Ragazzi"

Zum ersten Mal trafen sich Nikolaj Manuel Vonsild und Kristian Finne Kristensen am Flughafen von Oslo. Nachdem beide unabhängig voneinander auf demselben Festival performt hatten, endeten sie irgendwann in der Abflughalle des Airports, wo sie darauf warteten, zurück nach Hause fliegen zu können. Der Frontmann der Band When Saints Go Machine und das Gesicht hinter dem Projekt Chorus Grant wechselten nur wenige Worte an diesem Tag, obwohl sie Stunden lang Seite an Seite gesessen hatten. Irgendwann später führte es die Herren dann aber erneut zusammen und sie begannen, mehr und mehr Zeit miteinander zu verbringen. Wie es bei Musikern so üblich ist, blieb es dabei jedoch nicht bei einem kühlen Bier oder einem Gespräch über die Eigenheiten des Wetters. Schnell wurden Mikrofone und Instrumente hervorgekramt, um ein wenig mit Sounds herumexperimentieren zu können. Natürlich ganz unverfänglich, planlos und ohne ein genaues Ziel vor den Augen zu haben. Dass die dabei entstandenen Skizzen jedoch nicht einfach wieder verworfen werden würden, hätte Vonsild und Kristensen wohl klar sein können.

Im Dezember des letzten Jahres fanden sich die Männer folgerichtig in einem Studio in Kopenhagen ein und begannen, ihre tonalen Entwürfe weiterzuentwickeln. Die EP "Ragazzi" ist schließlich das Produkt dreier Tage, innerhalb derer sich Kristensen und Vonsild ganz auf die Neugier verließen, herausfinden zu wollen, wohin ein einzelner Riff, eine unfertige Melodie oder ein kryptischer Wortfetzen sie führen könnte. Als Cancer präsentiert das Duo die Auswüchse dessen nun erstmals digital und auf Vinyl. "Age of Pinballs", das Eröffnungsstück der "Ragazzi"-EP, vereint warme Folkeinflüsse mit starren Electroparts und stellt damit gleich zu Anfang klar, dass Cancers Klangkosmos wohl eher diffus als sternenklar sein dürfte. Desweiteren treffen Vonsilds androgyne Falsettgesänge, für die der Sänger von jeher bekannt ist, auf die etwas kräftigere Stimme Kristensens, was zu einer Art Erdung führt. "FKA IP" zelebriert derweil eine akustische Ästhetik, die man sonst vielleicht Pink Floyd hätte zuschreiben wollen. Nicht minder hartnäckig, was das Aufbrechen gängiger Liedstrukturen betrifft, zeigen sich auch "Same Color As Digital Photography", das kühle "Hunting Large Cats From Helicopter" oder "Body On The Bones". "Hot Snake Dead Boy" - man muss hir noch kurz anmerken, dass alle Titel völlig unabhängig von den Texten der jeweiligen Songs zu sein scheinen - fungiert dann als kleine Nachtmusik und beendet "Ragazzi" mit einem sanften Kuss.
Wenn man erfährt, dass Cancer anstreben, aus ihrem einmaligen Rendez-Vous eine echte Romanze zu entwickeln, stimmt das euphorisch - bietet "Ragazzi" doch einen wunderbaren Gegenentwurf zu all dem uncharismatischen Radiopop.



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