Freitag, 5. September 2014

Album-Vorstellung: Karen O "Crush Songs"

© by Barney Clay
Ein Crush auf jemanden zu haben bedeutet, das unbedingte Verlangen zu verspüren, der entsprechenden Person sehr schnell, sehr nahe kommen zu wollen. Es ist eine Art Bedürfnisexplosion, die das Gehirn kurzzeitig in Ekstase versetzt, und die eine unbedingte Befriedigung des sich rasant ausbreitenden Dranges zur obersten Priorität erklärt.
Karen O, Frontfrau der Yeah Yeah Yeahs, war 27 Jahre alt, als sie sich einer furchtbaren Wahrheit gegenübersah."Ich war mir nicht sicher, ob ich mich jemals wieder verlieben würde", berichtet die mehrfach preisgekrönte Sängerin heute rückblickend. Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und in tiefstem Selbstmitleid zu versinken, griff die Optimistin zu ihrer Gitarre und entwickelte zahlreiche kleine Songskizzen, die nun auf "Crush Songs" erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Nach vier erfolgreichen Platten mit ihren Yeah Yeah Yeahs, der Arbeit an den Soundtracks zu den beidem Spike Jonze Filmen "Wo die wilden Kerle wohnen" und "Her" sowie zahlreichen Kollaborationen mit dem Who Is Who der Independentszene, stellt "Crush Songs" das erste wirkliche Soloalbum der Amerikanerin dar.

Wer hat eigentlich festgelegt, dass ein Song eine durchschnittliche Spieldauer von circa drei bis vier Minuten haben sollte? Karen O kann es wohl nicht gewesen sein. Die vierzehn, beziehungsweise fünfzehn, Stücke auf "Crush Songs" - am Ende versteckt sich noch ein Hidden Track - sind auf ihre Essenz reduziert und meist nicht länger als wenige Sekunden. Auch soundtechnisch verließ sich Karen O für Titel wie "Comes The Night", "Ooo" oder "Rapt" auf eine tonale Schlichtheit, ohne großen Schnickschnack. "Crush Songs" ist eine Platte, die wirkt, als hätte es bei ihrer Produktion nur eine einzige Regel gegeben, nämlich dann auf Record zu drücken, wenn Karen O bereit war. Das führt dazu, dass ein Stück namens "Body King" mit einem übersteuerten, kratzigen Mittelteil daherkommt, "Visits" rotzig aus den Lautsprechern brüllt und ein latentes Hintergundrauschen das Album durchzieht wie ein roter Faden. Die Tochter eines Polen und einer Koreanerin scheint in der Unperfektheit und Flüchtigkeit des Lo-Fi ihre Erfüllung gefunden zu haben - war es doch auch diese, die ihrem "The Moon Song" bereits eine Oscar-Nominierung einbrachte. Im Resultat zeigt sich "Crush Song" stark im Songwriting, charmant in der Umsetzung und feinfühlig in seiner Ästhetik.



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