Freitag, 23. November 2012

Interviewt: El Perro Del Mar

Sarah Assbring // El Perro Del Mar
Am letzten Freitag, den 16.11.2012, trafen wir Sarah Assbring alias El Perro Del Mar vor ihrem grandiosen Konzert im HBC Berlin. Im gemütlichen Pulli erschien Assbring zum Gesprächstermin. Man setzte sich an die Bühne, auf der sie am selben Abend noch dem Berliner Publikum ihre neuen Songs präsentieren sollte. Eine unglaubliche Entspannung ging von der Sängerin aus und wirkte geradezu ansteckend. Wir sprachen über ihr neues Album „Pale Fire“, ihre Sicht auf Musik und verschiedenste andere Themen. Das komplette, ausführliche Interview mit der sympathischen Schwedin gibt es nun exklusiv hier bei „Einen hab ich noch…“.

Einen hab ich noch…:
Sarah, wie kamst du mit Musik in Berührung? Kannst du dich erinnern?

Sarah Assbring:
Ich habe sehr frühe musikalische Erinnerungen aus der Zeit als ich noch sehr, sehr klein war. Wie ich meine Mutter zum Beispiel Beethovens „Für Elise“  oder ähnliches spielen hörte. Ich selbst fing an Klavier zu spielen, als ich sechs oder sieben war und von diesem Moment an, war Musik stets wichtig für mich. Und so schrieb ich bereits als Kind erste Songs. Musik ist durchgehend lebensnotwendig für mich gewesen.

EHIN:
Wusstest du schon immer, dass du Musikerin werden möchtest?

Sarah Assbring:
Ich denke, tief im Inneren wollte ich immer Musikerin sein. Es begann mit kindischen Träumereien, dann wurde ich älter und war hin- und hergerissen, ob ich einen „richtigen“ Beruf wählen und studieren sollte. Jedoch kämpfte die Musik stetig gegen meine anderen Pläne an. Als ich dann Mitte zwanzig war, was recht spät ist, akzeptierte ich, dass ich nichts Halbes machen kann und so entschied ich, mich fortan auf die Musik zu fokussieren.

EHIN:
Wie sieht Sarah Assbrings Songwriting aus?

Sarah Assbring:
Mhm… wenn ich mit dem Gedanken spiele ein neues Album aufzunehmen, fange ich an Ideen zu sammeln, was lange Zeit dauern kann. Es hängt davon ab, worüber ich schreibe. Für mein aktuelles Album häufte ich Eindrücke, Material und Texte über ein ganzes Jahr an. Es fühlt sich dann so an, als lebe ich eine Zeitlang mit dem Album, es wächst in mir heran und wird dann zu einer klaren Vision. In dieser Periode bin ich oft sehr isoliert und konzentriert auf das Kommende.

EHIN:
Du und einige andere Künstler prägten den Begriff des „Chamberpops“ als Genre.  Es schwingt eine Menge Wärme in diesem Wort mit, wie es auch in deiner Musik der Fall ist. Was denkst du über jene Kategorisierung?

Sarah Assbring:
Ich denke, es ist eine wundervolle Kategorisierung. Ich bin generell keine Liebhaberin von Klassifizierungen, aber dieser Begriff an sich ist wirklich schön. Er ist offen für eine Vielfalt an Vorstellungen und verschiedene Untergruppen. Das lässt Raum für mich als Künstler, unterschiedliche Dinge zu tun, aber dabei weiterhin Teil dieses Genre zu bleiben. Und das ist gut!

EHIN:
Du hast mit tollen Musikern wie Lykke Li, Gruff Rhys, Pacific! oder aktuell Chad Valley kollaboriert. Gibt es weitere Künstler, mit denen du unheimlich gern zusammenarbeiten würdest?

Sarah Assbring:
Oh, da gibt es einige. Es ist immer schwer jemanden zu nennen, wenn man diese Frage gestellt bekommt. Meist antworte ich „Gang Gang Dance“, weil ich schon lange ein riesiger Fan von ihnen bin. Ich glaube, ich könnte eine Menge von ihnen lernen. Mir gefällt die Art, wie sie Musik machen und herumexperimentieren. Sie verbinden verschiedenste Einflüsse und schweben über dem, was auch immer Musik ist. Ich liebe freie Musik wie Jazz, bin selbst jedoch oft in meinen Strukturen gefangen und habe ganz klare Vorstellungen bezüglich meiner musikalischen Ergebnisse. Das möchte ich durchbrechen.

An dieser Stelle nun eine kleine Hörprobe zu Gang Gang Dance.


EHIN:
Was für Musik hörst du gern privat?

Sarah Assbring:
Momentan und ich denke, das hat das neue Album sehr beeinflusst, höre ich viel elektronische Musik. Alte Dance Music wie Chicago House oder Acid House, aber auch Dubstep. Eine Menge Musik, die keine Vocals hat.

EHIN:
Filesharing und Musikpiraterie sind echte Probleme für die Musikindustrie geworden. Was sind die Konsequenzen für dich als Künstlerin?

Sarah Assbring:
Nun ja, die Konsequenz ist, dass du kein Geld verdienst. Aber ich bin der Ansicht, das war auch vor diesen Zeiten nicht anders. Es gibt immer jemanden, der dem Musiker das Geld wegnimmt. Und diese modernen Entwicklungen führen irgendwo hin. Ich weiß nicht wo, doch glaube ich, es wird besser werden. Ich bin kein Gegner von Filesharing, denn ich stelle meine Songs selbst teils kostenlos zur Verfügung. Menschen, die Musik hören sind nicht der Feind, den man bekämpfen sollte, da gibt es andere. Es verdienen einfach die falschen Leute an der Musik. Ein wirkliches Problem ist, dass die Künstler nur wenig einnehmen. Das sollte gelöst werden. Nur bin ich mir nicht sicher, ob das je passieren wird.

EHIN:
Und am Ende kann niemand das Gefühl herunterladen, vor einer Bühne zu stehen und einem deiner Konzerte zu lauschen. Was magst du an Liveauftritten?

Sarah Assbring:
Am Anfang war ich dem Ganzen gegenüber etwas verschlossen, weil ich eine Kluft zwischen der Welt, nach der eine Platte klingt, und der realen Welt sah. Das hat mich sehr frustriert und ich war unzufrieden, denn ich schaffte es nicht, meine Musik live so klingen zu lassen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Doch nun liebe ich genau das und habe akzeptiert, dass diese beiden Welten eben komplett verschieden sind.

EHIN:
Da ist so eine bittere Süße in deinen Songs. Es ist, als würde man Medizin auf einem Löffel Zucker zu sich nehmen. Viele der Tracks haben diese psychologische und sehr tiefgehende Seite. Die Person, die sie hört wird mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken konfrontiert. War das deine Intension?

Sarah Assbring:
Ich bin froh das zu hören, denn es war nicht meine Intension. Ich schreibe über meine eigenen Gefühle, Gedanken oder Schwierigkeiten, die sich im Leben auftun. Es ist ein Weg, um mit mir selbst und der Welt um mich herum ins Reine zu kommen. Wenn das dann einen Effekt auf andere Menschen hat, ist das einfach unglaublich schön zu wissen. Das ist die Magie der Musik und was sie mit uns macht. Und wenn ich das mit meiner eigenen Musik erreichen kann, ist das wunderbar. Aber es wäre sehr anmaßend während des Schreibens zu glauben, dass ich am Ende Anderen damit helfen könnte. Es ist eher eine Zufälligkeit und die reine Schönheit von Musik.

EHIN:
Was hat sich seit deinem Debütalbum in der Art wie du dich und die Welt siehst, geändert?

Sarah Assbring:
Vieles hat sich geändert und es ist einiges in meinem Leben geschehen seitdem. Ich startete von einem sehr introvertierten Ort, als ich mein erstes Album schrieb. Es ging sehr stark um mich selbst und wie ich mit meinem Leben klarkomme. Ich habe mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt, sie bearbeitet und bin nun darüber hinweg. Der vielleicht größte Unterschied zum aktuellen Album ist, dass ich jetzt meinen Blick gehoben und auf die Welt um mich herum geschaut habe. Ich realisierte, dass ich über eine sehr finstere Sicht auf die Welt verfüge und ich fragte mich, wo das alles mit unserer Erde hinführen soll. Da auch die Platte erst sehr dunkel klang, fühlte ich, dass ich die Verantwortung  trage, die Menschheit nicht mit weiteren düsteren Songs herunterzuziehen. Also wollte ich Licht und Hoffnung vermitteln, denn neben all der Dunkelheit sind da eben auch diese Dinge. So konnte ich am Ende auch mit meiner vorangegangenen Sichtweise brechen. Ich sehe mich jetzt mehr als ein Teil des ganzen Geschehens.

EHIN:
„Pale Fire“ heißt dein neues Album. Wie fühlt es sich an zu wissen, dass es nun veröffentlicht ist?

Sarah Assbring:
Oh, das ist fantastisch! Während des Releases war ich bereits auf Tour und es fühlte sich gut an, mitten in diesem ganzen Prozess zu sein und es live performen und leben zu können, auf ganz andere Art und Weise als zu der Periode, in dem man noch daran arbeitete. Da ich dem Album so viel Zeit einräumte, um zu entstehen, gab es viele Momente, in denen ich zweifelte und das Gefühl hatte, den Verstand zu verlieren. Das passiert jedoch meistens, wenn ich an einer neuen Platte arbeite. Insofern nichts Ungewöhnliches. Dennoch ist es umso viel besser, wenn man sieht, dass etwas fertig ist und veröffentlicht werden kann. Sehr zufriedenstellend!

EHIN:
Hört man „Love In Vain“ vom neuen Album, kann schon mal der Gedanke an Roxy Music’s „Avalon“ aufkommen.

Sarah Assbring:
Oh…

EHIN:
Es gibt viele Eighty-Grooves und Synthesizer auf „Pale Fire“. Wieso hast du dich entschieden, in diese musikalische Richtung zu gehen?

Sarah Assbring:
Nun, offensichtlich beeinflusst es einen, was für Musik man selbst im Vorfeld gehört hat und generell mag. Seit vielen Jahren höre ich Dance Music und Dub, aber ich habe sie in den Zeiten der Entstehung des neuen Albums, mehr konsumiert. Ich besitze ein Studio, in dem ich all meine Alben aufgenommen habe. Darin gibt es die verschiedensten Instrumente. Bei jedem Album s ich anfangs dort herum und fragte mich, welche Instrumente ich benutzen soll. Dieses Mal versuchte ich die verschiedenen Synthesizer und Drumm-Maschinen, die ich habe. Es fühlte sich gut an, sie zu entdecken. Sie machten mich neugierig. Deswegen klingt jetzt alles so, wie es das tut. Zudem fing ich an zu samplen, was komplett neu für mich war. Dieses Album hätte nicht auf der Gitarre oder anderen klassischen Instrumenten entstehen können, welche ich vorher oft benutzte. Die elektronischen Instrumente haben mich einfach angemacht. (Sarah Assbring lacht)

EHIN:
Das führt uns zu der nächsten Frage. Inwiefern ist „Pale Fire“ anders als deine früheren Veröffentlichungen?

Sarah Assbring:
Auf viele Arten! Ich neige oft dazu mich gegen das aufzulehnen, was ich zuvor produziert habe. Keinesfalls, weil ich es nicht mag. Es ist eher, dass ich etwas tun möchte, das sich frisch anfühlt.  Bei meinem neuen Album hatte ich den Drang zu rebellieren. Nicht nur gegen mich selbst sondern auch gegen die Instrumente, die ich sonst gern benutze und die Art, wie ich Songs schreibe. Ich wollte mich auch gegen Personen in meinem Umfeld, mit denen ich zuvor gearbeitet hatte, und ihr Verständnis von meiner Person wehren. Ich schätze, ich hatte diese Art von jugendlichem Bedürfnis, Leuten eine neue Seite an mir zu zeigen, wenn diese meinten zu wissen wer ich sei. Aber als ich mich mit dieser ganzen Thematik beschäftige, merkte ich, dass ich eine sehr natürliche Basis in meiner Musik habe. So kann ich sicher sein, dass egal was ich tue, die Menschen merken werden, dass sie immer noch El Perro Del Mar hören. Auch wenn es anders klingt.

EHIN:
„What Do You Expect“ und „Innocence is Sense” waren brillante Tracks, die du vor einigen Monaten veröffentlicht hast. Beide schafften es dann jedoch nicht auf “Pale Fire”. Was ist der Grund dafür?

Sarah Assbring:
Ich habe meist ein sehr intuitives Gefühl dafür, welche Songs Teil eines Albums sein werden und welche nicht. „What Do You Expect“ war mehr oder weniger eine Korrespondenz. Es hätte sich komisch angefühlt, es auf „Pale Fire“ zu haben. „Innocence Is Sense“ hingegen war eine gute Wahl um das Album zu präsentieren, jedoch haben die anderen Tracks auf eine natürliche Weise besser zueinander gepasst.

EHIN:
Und man kann die Tracks ja auch weiterhin im Internet finden. („Innocence Is Sense“ und „What Do You Expect“ sind auf El Perro Del Mars Soundcloud nachzuhören.)
Es gibt ein tolles und sehr künstlerisches Video für „Walk On By”. Der Dreh muss spaßig gewesen sein.

Sarah Assbring:
Das hat absolut Spaß gemacht! Ich habe eine Schwäche dafür, wie der Greenscreen in den späten 80ern benutzt wurde. Auf so eine altmodische Weise. So etwas wollte ich auch machen. Ich tanzte und rannte auf einem Laufband und da ich schwanger bin, war das ein ganz schön harter Job. Es war wirklich, wirklich lustig und ich bin glücklich wie das Endergebnis aussieht.



EHIN:
Eine letzte Frage. Wie wird El Perro Del Mar in zehn Jahren klingen?

Sarah Assbring:
Oh wow… ich bin die Letzte, die das weiß. Denn wie ich sagte, ist meine Musik immer an mein Leben gekoppelt. Und ich weiß nicht, wie dieses in zehn Jahren aussehen wird. Aber was ich hoffe, dass ich weiter diese Sicht auf meine Musik haben und die Möglichkeit behalten werde, zu tun was ich möchte. So viel ausprobieren zu können, wie ich mag.

EHIN:
Vielen Dank für dieses tolle Interview!


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