Freitag, 6. Dezember 2013

Album-Vorstellung: Justine Electra "Green Disco"

Justine Electra
Viele Musiker drücken gern auf die Tube, wenn es darum geht, die eigene Karriere voranzutreiben. Allzu gern rasen sie mit Vollgas von einer Veröffentlichung zur nächsten, immer schneller und schneller, schauen dabei weder nach links, noch nach rechts, sondern brettern ohne Rücksicht auf Verluste ihrem Ziel entgegen. Und zwar vermeintlichem Ruhm und ewigem Erfolg. Wir nehmen heute die nächste Ausfahrt und verlassen jenen stark befahrenen Branchenhighway, auf dem es vor gewissenlosen Heizern nur so wimmelt. Auf einer abgelegenen Landstraße kommen wir zum Stehen. Reifenpanne. Zu sehr wollten wir wohl den ganzen akustischen Schuhmachern und Rosbergs hinterherjagen. Dies fordert nun seinen Tribut. In der Ferne erblicken wir jedoch schon ein kleines, knatterndes Gefährt, das langsam auf uns zu rollt. Hilfe ist in Sicht! Es wirkt allerdings fast ein wenig, als würde da jemand mit angezogener Handbremse durch die Gegend tuckern. Als der Wagen in Sichtweite kommt, blicken wir in ein vertrautes, strahlendes Gesicht. Justine Electra hat sich wieder einmal auf die Reise gemacht und im Gepäck steckt ihr neues Album "Green Disco". Gut gelaunt sitzt sie nun hinter dem Steuer und deutet uns an, einzusteigen. Lassen wir uns ein Stück mitnehmen.

Ganze sieben Jahre ist es her, dass "Soft Rock", das Debüt der in Berlin lebenden Exilaustralierin, erschienen ist. Doch klingt jene Scheibe noch bis heute nach, handelt es sich dabei schließlich um eins der innovativsten und auch kreativsten Alben der letzten Dekade. Überall hagelte es positive Kritiken für Madame Electra und ihre Sammlung eigenwilliger Sounds. Die Fachpresse war begeistert von der bunten Mischung aus Pop, Electro, Rock, Folk, Funk, Lo-Fi, Hip-Hop und Indie, welche die Songwriterin quasi im Wohnzimmer produziert hatte. Auch international empfing man sie mit ausgestreckten Armen, sodass es der Track "Killalady" beispielsweise bis in die Untermalung des amerikanischen Serienlieblings "The L Word" schaffte. Doch dann, am Höhepunkt der medialen Aufmerksamkeit, erlosch der Scheinwerfer, der auf Justine Beatty, wie die Sängerin mit bürgerlichem Namen heißt, gerichtet war und es wurde umgehend wieder ruhig um sie. Was ist geschehen? An der Musik hat es auf jeden Fall nicht gelegen, dass plötzlich keinerlei Interesse mehr an Justine Electra bestand. Seien es Streitigkeiten mit ihrem ehemaligen Label City Slang oder einfach das Pech gewesen, einen Moment zu lange in der Gemütlichkeit des Augenblicks verharrt zu sein, die Türen zum Aufzug Richtung Pophimmel waren jedenfalls wieder fest verschlossen. "Dann nehme ich eben die Treppe!", könnte sich die charmante Sängerin gedacht haben. Fleißig und im Geheimen arbeitete sie an unzähligen Songskizzen, die sie auf dem Blog "365 songs in 365 days" einer breiten Leserschaft zum Probehören zur Verfügung stellte. Zwar hielt es Justine dann am Ende doch nicht durch, täglich einen Track und dessen Geschichte zu posten, doch immerhin führte jenes Experiment zu "Green Disco".

"Green Disco"
Manch einer wird am Nachfolgewerk zu "Soft Rock" bemängeln, dass dieses in sich nicht wirklich geschlossen wirkt. Zu unterschiedlich klingen Stücke wie der sensible Opener "This Could Be The Most Beautiful Noise", das von Spielzeugklängen durchzogene "Petting Zoo", das beinahe traditionell anmutende "Bagpipes" oder das von ihrem DJane-Dasein infizierte "DJ Save The Animals". Aus unserer Sicht liegt genau darin die Stärke der Platte. Mit jedem Song öffnet Justine Electra die Tür zu einer neuen Welt. Während man sich beim beatlastigen "Boozy Shoes" noch an die Seite eines gescheiterten, nicht beachteten Künstlers gesellt - vielleicht kommt man hier der Musikerin persönlich am nächsten - empfiehlt es sich, bei "Wild Country Girl" die Cowboystiefel anzuziehen und mit ausladenden Bewegungen durch den Wüstensand zu tanzen. "Nippon Darkness", ein Cover von Bonnie 'Prince' Billies "I See Darkness", begleitete einst die Doku "SubBerlin", welche sich der Geschichte des Berliner Clubphänomens Tresor verschrieben hatte, und wird nun auf "Green Disco" zu einem Fragment vergangener Tage. Auch "Great Skate Date", eröffnet mit einer Persiflage auf den deutschen Akzent im Englischen, konnte man schon vor Jahren auf Myspace bewundern. An Aktualität und Glanz haben die beiden Nummern jedoch im Laufe der Zeit nichts verloren. Wenn schließlich der wunderschöne Endtrack "Like A Magnet" verklungen ist, bleibt ein einziger Gedanke im Raum stehen. Vielleicht ist "Green Disco" als eine Art Best-Of zu verstehen. Ein Best-Of all jener Alben, die im Zeitraum von 2006 bis 2013 hätten entstehen können, es dann aber aufgrund äußerer Gegebenheiten nicht taten. Vor uns öffnet ein musikalischer Kleiderschrank seine Türen, der für elf ganz unterschiedliche Stimmungen, auch elf einzigartige Outfits bereithält. Wir drücken die Daumen und wünschen Justine Electra mit dieser Platte jenen Erfolg, der ihr schon lange mehr als zusteht!



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