Sarah Assbring // El Perro Del Mar |
Am letzten Freitag, den 16.11.2012, trafen wir Sarah
Assbring alias El Perro Del Mar vor ihrem grandiosen Konzert im HBC Berlin. Im gemütlichen Pulli erschien Assbring zum Gesprächstermin. Man setzte sich an die Bühne, auf der sie am selben Abend noch dem Berliner Publikum ihre neuen Songs präsentieren sollte. Eine unglaubliche Entspannung ging von der Sängerin aus und wirkte geradezu ansteckend. Wir
sprachen über ihr neues Album „Pale Fire“, ihre Sicht auf Musik und
verschiedenste andere Themen. Das komplette, ausführliche Interview mit der
sympathischen Schwedin gibt es nun exklusiv hier bei „Einen hab ich noch…“.
Einen hab ich noch…:
Sarah, wie kamst du mit Musik in Berührung? Kannst du
dich erinnern?
Sarah Assbring:
Ich habe sehr frühe musikalische Erinnerungen aus der Zeit als
ich noch sehr, sehr klein war. Wie ich meine Mutter zum Beispiel Beethovens „Für
Elise“ oder ähnliches spielen hörte. Ich
selbst fing an Klavier zu spielen, als ich sechs oder sieben war und von diesem
Moment an, war Musik stets wichtig für mich. Und so schrieb ich bereits als
Kind erste Songs. Musik ist durchgehend lebensnotwendig für mich gewesen.
EHIN:
Wusstest du schon immer, dass du Musikerin werden möchtest?
Sarah Assbring:
Ich denke, tief im Inneren wollte ich immer Musikerin sein.
Es begann mit kindischen Träumereien, dann wurde ich älter und war hin- und
hergerissen, ob ich einen „richtigen“ Beruf wählen und studieren sollte. Jedoch
kämpfte die Musik stetig gegen meine anderen Pläne an. Als ich dann Mitte
zwanzig war, was recht spät ist, akzeptierte ich, dass ich nichts Halbes machen
kann und so entschied ich, mich fortan auf die Musik zu fokussieren.
EHIN:
Wie sieht Sarah Assbrings Songwriting aus?
Sarah Assbring:
Mhm… wenn ich mit dem Gedanken spiele ein neues Album aufzunehmen, fange ich an Ideen zu sammeln, was lange Zeit dauern kann. Es hängt
davon ab, worüber ich schreibe. Für mein aktuelles Album häufte ich Eindrücke,
Material und Texte über ein ganzes Jahr an. Es fühlt sich dann so an, als lebe
ich eine Zeitlang mit dem Album, es wächst in mir heran und wird dann zu einer
klaren Vision. In dieser Periode bin ich oft sehr isoliert und konzentriert auf
das Kommende.
EHIN:
Du und einige andere Künstler prägten den Begriff des „Chamberpops“
als Genre. Es schwingt eine Menge Wärme
in diesem Wort mit, wie es auch in deiner Musik der Fall ist. Was denkst du über
jene Kategorisierung?
Sarah Assbring:
Ich denke, es ist eine wundervolle Kategorisierung. Ich bin
generell keine Liebhaberin von Klassifizierungen, aber dieser Begriff an sich
ist wirklich schön. Er ist offen für eine Vielfalt an Vorstellungen und
verschiedene Untergruppen. Das lässt Raum für mich als Künstler, unterschiedliche
Dinge zu tun, aber dabei weiterhin Teil dieses Genre zu bleiben. Und das ist
gut!
EHIN:
Du hast mit tollen Musikern wie Lykke Li, Gruff Rhys, Pacific! oder
aktuell Chad Valley kollaboriert. Gibt es weitere Künstler, mit denen du unheimlich
gern zusammenarbeiten würdest?
Sarah Assbring:
Oh, da gibt
es einige. Es ist immer schwer jemanden zu nennen, wenn man diese Frage
gestellt bekommt. Meist antworte ich „Gang Gang Dance“, weil ich schon lange
ein riesiger Fan von ihnen bin. Ich glaube, ich könnte eine Menge von ihnen
lernen. Mir gefällt die Art, wie sie Musik machen und herumexperimentieren. Sie
verbinden verschiedenste Einflüsse und schweben über dem, was auch immer Musik
ist. Ich liebe freie Musik wie Jazz, bin selbst jedoch oft in meinen Strukturen
gefangen und habe ganz klare Vorstellungen bezüglich meiner musikalischen Ergebnisse.
Das möchte ich durchbrechen.
An dieser Stelle nun eine kleine Hörprobe zu Gang Gang
Dance.
EHIN:
Was für Musik hörst du gern privat?
Sarah Assbring:
Momentan und ich denke, das hat das neue Album sehr
beeinflusst, höre ich viel elektronische Musik. Alte Dance Music wie Chicago House
oder Acid House, aber auch Dubstep. Eine Menge Musik, die keine Vocals hat.
EHIN:
Filesharing und Musikpiraterie sind echte Probleme für die
Musikindustrie geworden. Was sind die Konsequenzen für dich als Künstlerin?
Sarah Assbring:
Nun ja, die Konsequenz ist, dass du kein Geld verdienst. Aber
ich bin der Ansicht, das war auch vor diesen Zeiten nicht anders. Es gibt immer
jemanden, der dem Musiker das Geld wegnimmt. Und diese modernen Entwicklungen
führen irgendwo hin. Ich weiß nicht wo, doch glaube ich, es wird besser werden.
Ich bin kein Gegner von Filesharing, denn ich stelle meine Songs selbst teils
kostenlos zur Verfügung. Menschen, die Musik hören sind nicht der Feind, den man
bekämpfen sollte, da gibt es andere. Es verdienen einfach die falschen Leute an
der Musik. Ein wirkliches Problem ist, dass die Künstler nur wenig einnehmen. Das
sollte gelöst werden. Nur bin ich mir nicht sicher, ob das je passieren wird.
EHIN:
Und am Ende kann niemand das Gefühl herunterladen, vor einer
Bühne zu stehen und einem deiner Konzerte zu lauschen. Was magst du an
Liveauftritten?
Sarah Assbring:
Am Anfang war ich dem Ganzen gegenüber etwas verschlossen,
weil ich eine Kluft zwischen der Welt, nach der eine Platte klingt, und der
realen Welt sah. Das hat mich sehr frustriert und ich war unzufrieden, denn ich
schaffte es nicht, meine Musik live so klingen zu lassen, wie ich mir das vorgestellt
hatte. Doch nun liebe ich genau das und habe akzeptiert, dass diese beiden Welten
eben komplett verschieden sind.
EHIN:
Da ist so eine bittere Süße in deinen Songs. Es ist, als
würde man Medizin auf einem Löffel Zucker zu sich nehmen. Viele der Tracks
haben diese psychologische und sehr tiefgehende Seite. Die Person, die sie hört
wird mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken konfrontiert. War das deine Intension?
Sarah Assbring:
Ich bin froh das zu hören, denn es war nicht meine
Intension. Ich schreibe über meine eigenen Gefühle, Gedanken oder
Schwierigkeiten, die sich im Leben auftun. Es ist ein Weg, um mit mir selbst und
der Welt um mich herum ins Reine zu kommen. Wenn das dann einen Effekt auf
andere Menschen hat, ist das einfach unglaublich schön zu wissen.
Das ist die Magie der Musik und was sie mit uns macht. Und wenn ich das mit
meiner eigenen Musik erreichen kann, ist das wunderbar. Aber es wäre sehr anmaßend
während des Schreibens zu glauben, dass ich am Ende Anderen damit helfen könnte.
Es ist eher eine Zufälligkeit und die reine Schönheit von Musik.
EHIN:
Was hat sich seit deinem Debütalbum in der Art wie du dich
und die Welt siehst, geändert?
Sarah Assbring:
Vieles hat sich geändert und es ist einiges in meinem Leben
geschehen seitdem. Ich startete von einem sehr introvertierten Ort, als ich
mein erstes Album schrieb. Es ging sehr stark um mich selbst und wie ich mit
meinem Leben klarkomme. Ich habe mich mit dieser Thematik auseinandergesetzt, sie
bearbeitet und bin nun darüber hinweg. Der vielleicht größte Unterschied zum aktuellen
Album ist, dass ich jetzt meinen Blick gehoben und auf die Welt um mich herum
geschaut habe. Ich realisierte, dass ich über eine sehr finstere Sicht auf die
Welt verfüge und ich fragte mich, wo das alles mit unserer Erde hinführen soll. Da
auch die Platte erst sehr dunkel klang, fühlte ich, dass ich die Verantwortung trage, die Menschheit nicht mit weiteren
düsteren Songs herunterzuziehen. Also wollte ich Licht und Hoffnung vermitteln,
denn neben all der Dunkelheit sind da eben auch diese Dinge. So konnte ich am
Ende auch mit meiner vorangegangenen Sichtweise brechen. Ich sehe mich jetzt
mehr als ein Teil des ganzen Geschehens.
EHIN:
„Pale Fire“
heißt dein neues Album. Wie fühlt es sich an zu wissen, dass es nun
veröffentlicht ist?
Sarah Assbring:
Oh, das ist
fantastisch! Während des Releases war ich bereits auf Tour und es fühlte
sich gut an, mitten in diesem ganzen Prozess zu sein und es live performen und
leben zu können, auf ganz andere Art und Weise als zu der Periode, in dem man
noch daran arbeitete. Da ich dem Album so viel Zeit einräumte, um zu entstehen,
gab es viele Momente, in denen ich zweifelte und das Gefühl hatte, den Verstand
zu verlieren. Das passiert jedoch meistens, wenn ich an einer neuen Platte
arbeite. Insofern nichts Ungewöhnliches. Dennoch ist es umso viel besser, wenn
man sieht, dass etwas fertig ist und veröffentlicht werden kann. Sehr
zufriedenstellend!
EHIN:
Hört man „Love In Vain“ vom neuen Album, kann schon mal der
Gedanke an Roxy Music’s „Avalon“ aufkommen.
Sarah Assbring:
Oh…
EHIN:
Es gibt viele Eighty-Grooves und Synthesizer auf „Pale Fire“.
Wieso hast du dich entschieden, in diese musikalische Richtung zu gehen?
Sarah Assbring:
Nun, offensichtlich beeinflusst es einen, was für Musik man
selbst im Vorfeld gehört hat und generell mag. Seit vielen Jahren höre ich
Dance Music und Dub, aber ich habe sie in den Zeiten der Entstehung des
neuen Albums, mehr konsumiert. Ich besitze ein Studio, in dem ich all meine
Alben aufgenommen habe. Darin gibt es die verschiedensten Instrumente. Bei
jedem Album saß ich anfangs dort herum und fragte mich, welche Instrumente
ich benutzen soll. Dieses Mal versuchte ich die verschiedenen Synthesizer und
Drumm-Maschinen, die ich habe. Es fühlte sich gut an, sie zu entdecken. Sie
machten mich neugierig. Deswegen klingt jetzt alles so, wie es das tut. Zudem fing
ich an zu samplen, was komplett neu für mich war. Dieses Album hätte nicht auf
der Gitarre oder anderen klassischen Instrumenten entstehen können, welche ich
vorher oft benutzte. Die elektronischen Instrumente haben mich einfach
angemacht. (Sarah Assbring lacht)
EHIN:
Das führt uns zu der nächsten Frage. Inwiefern ist „Pale
Fire“ anders als deine früheren Veröffentlichungen?
Sarah Assbring:
Auf viele Arten! Ich neige oft dazu mich gegen das
aufzulehnen, was ich zuvor produziert habe. Keinesfalls, weil ich es nicht
mag. Es ist eher, dass ich etwas tun möchte, das sich frisch anfühlt. Bei meinem neuen Album hatte ich den Drang zu rebellieren. Nicht nur gegen mich selbst sondern auch gegen die
Instrumente, die ich sonst gern benutze und die Art, wie ich Songs schreibe. Ich
wollte mich auch gegen Personen in meinem Umfeld, mit denen ich zuvor gearbeitet
hatte, und ihr Verständnis von meiner Person wehren. Ich schätze, ich hatte
diese Art von jugendlichem Bedürfnis, Leuten eine neue Seite an mir zu zeigen,
wenn diese meinten zu wissen wer ich sei. Aber als ich mich mit dieser ganzen
Thematik beschäftige, merkte ich, dass ich eine sehr natürliche Basis in meiner
Musik habe. So kann ich sicher sein, dass egal was ich tue, die Menschen merken
werden, dass sie immer noch El Perro Del Mar hören. Auch wenn es anders klingt.
EHIN:
„What Do You Expect“ und „Innocence is Sense” waren
brillante Tracks, die du vor einigen Monaten veröffentlicht hast. Beide schafften
es dann jedoch nicht auf “Pale Fire”. Was ist der Grund dafür?
Sarah Assbring:
Ich habe meist ein sehr intuitives Gefühl dafür, welche
Songs Teil eines Albums sein werden und welche nicht. „What Do You Expect“ war
mehr oder weniger eine Korrespondenz. Es hätte sich komisch angefühlt, es auf „Pale
Fire“ zu haben. „Innocence Is Sense“ hingegen war eine gute Wahl um das Album
zu präsentieren, jedoch haben die anderen Tracks auf eine natürliche Weise
besser zueinander gepasst.
EHIN:
Und man kann die Tracks ja auch weiterhin im Internet
finden. („Innocence Is Sense“
und „What Do You Expect“ sind auf El Perro Del Mars Soundcloud nachzuhören.)
Es gibt ein tolles und sehr künstlerisches Video für „Walk
On By”. Der Dreh muss spaßig gewesen sein.
Sarah Assbring:
Das hat absolut Spaß gemacht! Ich habe eine Schwäche dafür,
wie der Greenscreen in den späten 80ern benutzt wurde. Auf so eine altmodische
Weise. So etwas wollte ich auch machen. Ich tanzte und rannte auf einem
Laufband und da ich schwanger bin, war das ein ganz schön harter Job. Es war
wirklich, wirklich lustig und ich bin glücklich wie das Endergebnis aussieht.
EHIN:
Eine letzte Frage. Wie wird El Perro Del Mar in zehn
Jahren klingen?
Sarah Assbring:
Oh wow… ich bin die Letzte, die das weiß. Denn wie ich sagte, ist meine Musik immer an mein Leben gekoppelt.
Und ich weiß nicht, wie dieses in zehn Jahren aussehen wird. Aber was ich
hoffe, dass ich weiter diese Sicht auf meine Musik haben und die
Möglichkeit behalten werde, zu tun was ich möchte. So viel ausprobieren zu können, wie ich
mag.
EHIN:
Vielen Dank für dieses tolle Interview!
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