"E1NEN HAB ICH NOCH..." ist ein virtuelles Sammelsurium für Musik. Der gleichnamige Blog bündelt und filtert Neuigkeiten aus den unendlichen Weiten der verschiedensten Genres. Dabei gilt stets die Devise: Den Song oder diese Platte sollte man noch gehört haben!
Jede Jahreszeit verlangt nach ihrem ganz eigenen Soundtrack. Während die Blätter von den Kronen der Bäume in Richtung Boden segeln, graue Regenschauer regelmäßig den Asphalt der Straßen zum Glänzen bringen und die Kälte durch jede Ritze unserer Kleidung zu kriechen versucht, wünschen wir uns Geborgenheit. Das Licht schwindet mit jedem neuen Tag, hastet dem Zustand tiefster Dunkelheit entgegen und auch die Vögel, die uns sonst am Morgen oft mit ihrem Gezwitscher weckten, sind fort. Fortgezogen in wärmere Gefilde. Was bringt unsere Seele nun also noch zum Leuchten? Vielleicht das selbst betitelte Debütalbum der Schwedin Sumie Nagano. Die Sängerin mit japanischen Wurzeln hat sich nicht hetzen lassen. Gemütlich und doch tatkräftig feilte sie an den zehn Stücken, die nun gemeinsam unter dem Namen "Sumie" zu finden sind. Dabei erhielt die ältere Schwester der Little Dragon Frontfrau Yukimi Nagano tatkräftige Unterstützung. Gefühlspianist Dustin O'Halloran, Komponist Nils Frahm und Produzent Simon Raymonde halfen Sumie, die Soundskizzen, die sie bereits im Kopf hatte, behutsam auf Papier zu bringen und sie schließlich im Studio zum Leben zu erwecken. Nun wandeln sie wie Geister zwischen uns. Berühren uns sanft und hinterlassen einen angenehmen Schauer auf dem Trommelfell.
"Sumie"
Entgegen der eingängigen Elektropop-Nummern, die man von Yukimi und ihrem kleinen Drachen gewohnt ist, setzt Sumie bei ihrer Musik ganz bewusst auf subtile Gitarrensongs. Das mag für manch einen nach simpler Lagerfeuerromantik klingen, nur steckt dahinter doch wesentlich mehr. "Spells You" eröffnet eine Platte, die voll von klarster Schönheit ist. Gedanken und Träume dürfen auf "Sumie" mit ausgestreckten Armen durch endlose Weiten rennen und währenddessen zurück- oder vorausschauen, wie es ihnen beliebt. Zwischen den leise dahinrieselnden Tracks, wie dem ergreifenden "Never Wanted To Be" oder dem flüsternden "Hunting Sky", bleibt stets genug Raum, um nicht von überladenen Kompositionen erdrückt zu werden. Gestochen scharf erklingt gleichzeitig die Stimme einer Frau, die vollkommen in sich ruht und nun den Hörer zurückhaltend durch die eigenen mentalen Welten geleitet. Es steckt so unheimlich viel Liebe, so viel Fragilität und Grazie in Songs wie "Burden Of Ease", "Midnight Glories" oder "Show Talked Windows", dass dies fast zu Tränen rührt. Beeindruckend, wie manchmal weniger wirklich mehr sein kann. Eine nackte Eleganz, ein Hauch von greifbarer Klangobsession. Freunde und Bewunderer von Anna Ternheim oder Nina Kinert kommen hier voll auf ihre Kosten, wohingegen der Mainstream wohl kaum Notiz von diesem Schatz glänzender Songwriterkunst nehmen wird.
Immer in Bewegung, das ist Ian Fisher. Dabei ist seine Rastlosigkeit stets der Hoffnung geschuldet, dem drohenden Stillstand entkommen zu wollen. Egal ob auf akustischer oder persönlicher Ebene. Ian hat sein Leben auf der Straße verbracht. Und damit ist keineswegs gemeint, dass der in Ste. Genevieve, Missouri geborene Künstler obdachlos sei. Im Gegenteil. Es zog ihn wieder und wieder unter freien Himmel, weil er nach Inspiration suchte. Der Drang, von der Muse geküsst zu werden, führte den Songwriter im Laufe seines Lebens von St. Louis nach Wien und New York, bis er schließlich vor ein paar Jahren in Berlin strandete. Dort verweilt er nun, mit den Hufen scharrend. Hätte er nicht ab und zu die Chance, mit seinen unglaublichen 953 komponierten Stücken (believe it or not) durch die Welt zu touren, dann wäre er wahrscheinlich auch der Spreemetropole schon längst wieder entflogen. Vielleicht ist es aber auch die musikalische Szene der Hauptstadt, die den bärtigen Amerikaner in ihren Bann gezogen hat und nicht mehr loslässt. Ob beispielsweise Lasse Matthiessen oder das Kalimbamädchen PHIA, sie alle arbeiten nur allzu gern mit dem kreativen Kopf zusammen. Für sein aktuelles Album griff dieser jedoch vorrangig auf eine Stimme aus der Heimat zurück. Ryan Thomas Carpenter wurde zu Ian Fishers Gegenwart und steuerte als "The Present" Gitarre und Gesänge für "Ian Fisher & The Present" bei.
Nach dem er auf seinem letzten Album "Ian Fisher & The Past" den Blick zurück auf vergangene Tage richtete, ist Ian mit "Ian Fisher & The Present" nun tief im Hier und Jetzt verwurzelt. Die neun Stücke auf der Platte wirken nicht verträumt, sondern bodenständig und real. Sie zeichnen eine bewusste Klarheit, animieren dazu, den Moment zu genießen und genau diesen mit ganzer Kraft zu umarmen. Vielleicht ist der hastige Geist Ians doch für einen Moment zur Ruhe gekommen.
Hinsetzen und zuhören. "Ian Fisher & The Present" ist die perfekte Platte, um sich lange daran zu erfreuen. Unverschnörkelte Folksongs, raue Countrynummern und feinste Songwriterperlen, all das gibt es innerhalb der 35 Minuten Laufzeit zu entdecken und zu spüren. Ja, spüren. Denn Tracks wie "Why Do I Go?" oder das beschwingte "Rotten On The Vine" lassen das Hörerherz nicht unberührt. Schnell verliebt man sich da in die Puristik eines "Fear", pfeift zum lässigen Takt von "Too Close" oder besteigt euphorisch den steilen Berg namens "Regret", von dessen Spitze aus, man eine einzigartige Sicht genießen kann. "Regret" wurde jüngst übrigens noch einmal mit der bereits erwähnten Australierin PHIA eingespielt. Entstanden ist ein romantischer Abdruck des Originals, der es locker mit Duetts wie Grizzly Bears und Feists "Service Bell" aufnehmen kann.
Nun seid ihr dran. Wer ein CD-Exemplar von "Ian Fisher & The Present" gewinnen will, das Ian Fisher höchstpersönlich zur Verfügung gestellt hat, der sollte uns bis spätestens kommenden Freitag, den 29.11.2013 verraten haben, wo er sich zuhause fühlt. Mitmachen könnt ihr, der regelmäßige Leser weiß es schon, über die folgenden Wege.
Jemand hat das Fenster aufgelassen. Über Nacht ist die zuvor angehäufte wohlige Wärme in die Dunkelheit entflohen. Nun wirkt das Zimmer, in dem wir uns befinden, kalt, trostlos und ungemütlich. Die Gardiene bewegt sich sanft mit dem Wind, der durch die Öffnung hineinweht. Nehmen wir dieses Eingangsbild, um uns dem heutigen Klassiker der Woche zu nähern. Schweden hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte als ertragreiche Wiege für begabte Künstler entpuppt. Unter den musikalischen Kindern des Landes befindet sich auch Anna Alexandra Ternheim. Die 1978 in Stockholm geborene Singer Songwriterin veröffentlichte 2004 ihr Debütalbum "Somebody's Outside". Vor dem Haus, draußen auf der Straße, steht ein blondes Mädchen mit eisblauen Augen. Sein Blick ist durchdringend. Wir schauen zu ihm hinunter. Was will es von uns? Weshalb rührt es sich keinen einzigen Zentimeter, sondern starrt uns ohne Unterbrechung an? Sie hat eine Geschichte zu erzählen. Hören wir ihm zu. "To Be Gone" ist die Beschreibung des Gefühls, der eigenen Haut, dem eigenen Körper entfahren zu wollen, nachdem eine Trennung kurzzeitig den Atem hat stocken lassen. Alles scheint ausweglos, ohne Perspektive. In ihrer ganz eigenen Soundästhetik erschuf Anna Ternheim mit dem Song ein akustisches Monument, das unter die Haut geht und für immer unvergesslich bleibt.
Mit der heutigen EP-Vorstellung werfen wir einen Blick in die Zukunft und auf das Musikjahr 2014. Etliche Newcomer schießen bereits wie kleine Pflänzchen aus dem fruchtbaren Boden der Branche. Nun gilt es zu selektieren, welche der einstigen Saatlinge später auch in der Lage sein werden, Früchte zu tragen. Vielleicht wird es das eine oder andere akustische Gewächs ja sogar irgendwann schaffen, selbst massive Medienlieblinge in seinen Schatten zu stellen. "Einen hab ich noch..." setzt da dabei optimistisch auf die Glass Animals. Das Quartett aus Großbritannien entsendet mit seinen Songs eine mysteriöse Dunkelheit, die hypnotisierend, lähmend und kompromisslos die Auffassungsgabe seiner Hörer befällt. Schon sind diese nicht mehr Herr über die eigenen Sinne, sondern tanzen marionettenhaft im Takt finsterer Down-Tempo-Nummern. Die Fäden zieht dabei David Bayley, studierter Mediziner und Neurowissenschaftler. Er scheint in seinen Vorlesungen alles Wichtige gelernt zu haben, um interessante und innovative Musik zu produzieren, die man in dieser Art zuvor noch nicht vernommen hat. Leben retten mal anders.
"Glass Animals" (EP)
Insgesamt vier Tracks findet der Neugierige auf der ersten EP der Glass Animals. Entstanden sind die Stücke an zwei sehr unterschiedlichen Orten. Zum einen erichteten die Glass Animals in den Wäldern des Oxfordshires einen Verschlag, der den Namen "The Shed" trägt. Ähnlich einer Schamanenschwitzhütte wurden dort die natürlichen Geräusche der Umgebung eingefangen, kanalisiert und tranceartig in die eigenen Kompositionen eingebaut. Um darüber hinaus den Bezug zur Gegenwart nicht zu verlieren, ging es im Anschluss in die pulsierende Themsemetropole London und ein dort gelegenes Studio. Der urtümliche Charakter eines "Psylla" oder "Exxus" ging dabei jedoch keineswegs verloren. Im Gegenteil. Es wurde fleißig an den archaischen Entwürfen gearbeitet, bis schließlich ein Destillat feinster Trip-Hop- und Dubstep-Klänge übrig blieb. Wer sich einst zu Massive Attacks "Karmacoma" in Extase tanzte, wird nun umgehend dem Rhythmus von "Woozy" verfallen, dessen rapartige Vocals die Sängerin Jean Deaux beisteuerte. Generell scheint die EP stark vom Erbe der Bristoler Szene infiltriert zu sein. Selten bekommt man heutzutage derart originalgetreuen Trip-Hop zu hören. Doch wird das Spektakel eben noch durch eine weitere Komponente ergänzt, und zwar die tonale Klarheit des neuen Jahrtausends. Entfliegen wir nun also zusammen mit einem Schwarm elektrifizierter Melodien in den sternenklaren Nachthimmel.
Mit ihrem achten Studioalbum "Reflection" scheuen Hooverphonic erneut keinerlei Experimente. Das Trio zog aus, um in den Häusern einiger seiner Fans jene Tracks einzuspielen, die sich nun in ihrer Gesamtheit als extrem lebhaft und eingängig erweisen. Das ist sicherlich nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet, dass Alex Callier, Raymond Geerts und Noémie Wolfs bei der Produktion der Platte auf analoge Aufnahmetechniken zurückgriffen. Zwischen Tracks wie "Amalfi" oder "Single Malt" beschleicht den Hörer somit das Gefühl, die Band stünde direkt neben ihm. Als betrachte er eine glamouröse Liveperformance in einem vornehmen Nachtclub, könne die Vibrationen der E-Gitarren spüren oder die Sängerin dabei beobachten, wie sie galant ihren Arm auf das Piano legt.
Nachdem wir euch am letzten Freitag einen ausgiebigen Blick auf Hooverphonics "Reflection" gewährten, dürfen wir diesen nun für einen Leser unseres Blogs noch etwas schärfen. Wir verlosen ein handsigniertes CD-Exemplar, das uns die Band höchstpersönlich zur Verfügung stellt. Bei so einem exklusiven Preis, wollen wir natürlich auch interessante Gedanken zur aktuellen Gewinnspielfrage hören. Wenn Hooverphonic im Rahmen ihres "Hooverdomestic"-Projekts in euer Zuhause gekommen wären, um dieses in ein Aufnahmestudio zu verwandeln, womit hättet ihr ihnen denn dann die Pausenzeit versüßt? Wer uns darauf bis spätestens kommenden Freitag, den 22.11.2013, eine kreative Antwort gibt, der gelangt automatisch in jene Lostrommel, aus der wir am Wochenende einen Gewinner ziehen werden. Mitmachen könnt ihr über einen der bekannten Wege.
Aufgehorcht! Der heutige Klassiker der Woche besitzt, egal, wo er auch erklingt, die Gabe, seine Hörer sofort aus dem Alltag zu entreißen, sie in die Luft zu wirbeln, sodass es ihnen Schuhe und Socken auszieht, und auf einem flauschigen Klangteppich landen zu lassen. Dort vergraben sich die nackten Zehen umgehend in die gemütlichen Fasern modernster Folkmusik. Die amerikanische Band Grizzly Bear, dessen Album "Shields: Expanded" wir euch jüngst vorstellten, hat seit ihrer Gründung im Jahre 1999, einen beeindruckenden Vorrat an hervorstechenden Popsongs angelegt, von der ganze Generationen im ewigen Winterschlaf der akustischen Innovation zehren können. "Two Weeks", zu finden auf dem 2009er Album "Veckamist", verzichtet beispielsweise beim Ausgehen auf den traditionellen, zwickenden Smoking und trägt stattdessen lieber ganz dick auf. Stattdessen geht es im Glitzeranzug und mit blinkendem Zylinder aufs Parkett, wo ein skurriler Tanz hingelegt wird, der für Verwunderung aufseiten seiner Betrachter sorgt. Frei, ungehemmt, ausgelassen. Grizzly Bear liefern mit "Two Weeks" den Soundtrack zur ungezügelten Vergnügtheit.
Im nächsten Jahr feiert Hooverphonics Debüt seine Volljährigkeit. Ganze 18 Lenze werden dann verstrichen sein, seit die Formation aus Belgien ihr Erstlingswerk "A New Stereophonic Sound Spectacular" auf den Markt brachte. Als in den Neunzigern der Bristoler Trip-Hop auf der britischen Insel groß wurde, lieferten Hooverphonic, als eine von wenigen nicht dort ansässigen Bands, den Beweis, dass auch das europäische Festland seinen Teil zur Festigung dieses neuartigen Genres beizutragen hatte. Und so begann der Ausflug durch die akustische Experimentierfreudigkeit. Im Laufe ihrer Karriere haben sich Hooverphonic dadurch ein recht breit gefächertes Repertoire anlegen können. Anstatt stets eingleisig zu fahren, wurden an wichtigen Knotenpunkten die Weichen für Erkundungstouren in neue musikalische Gefilde gestellt. Während der Fahrt sprang hier und da das eine oder andere Bandmitglied auf den rollenden Wagen auf oder von genau diesem wieder herunter. Alex Callier blieb dabei jedoch konstant jener Zugführer, der es vermochte, das Gefährt enthusiastisch durch die verschiedensten Klanglandschaften zu bewegen. An seiner Seite Raymond Geerts als treuer Schaffner. Mit Noémie Wolfs gesellte sich 2010 eine neue Sängerin zu der Kapelle, die sich, trotz einiger Beschwerden langjähriger Hörer, als würdige Nachfolgerin von Geike Arnaert (1997-2008) erweisen konnte. Dieser letzte Generationswechsel brachte schließlich die Alben "The Night Before" (2010) und das großartig inszenierte Best-Of "With Orchestra" (2012) hervor. Mit "Reflection" legt das Trio nun nach.
Reflection
Reflexionen und Spiegelungen, sie sind etwas nicht wirklich Greifbares. Wirken wie ein Schatten oder ein Schleier der Wirklichkeit. Hooverphonic widmen den Titel ihrer neusten Platte genau jenem bizarren optischen Schauspiel. Während Songs wie "Radio Silence", "Devil Kind Of Girl" oder "Wait For A While" erklingen, leuchten Erinnerungen an das 2002er "Hooverphonic Presents Jackie Cane" auf. Jene Scheibe, die einen massiven Umschwung im Stil der Belgier darstellte. Gleichzeitig durchtränken Spuren des Psychedelic Rocks beispielsweise den Track "Roadblock" und erwecken im Vorbeiziehen den Geist von "The President Of The LSD Golfclub" (2008) wieder. Mal lasziv verführerisch ("Copper (CU)"), dann ungewöhnlich infantil ("ABC Of Apology") und zum Finale hin strahlend schön ("The Clouds"), hält auch das achte Studioalbum Hooverphonics wieder einige Überraschungen bereit. Vorabsingle und Opener "Amalfi" wird da zum sensitiven Lufthauch, der sanft das Gehör streichelt, durch die Verbindungen zwischen rechter und linker Ohrmuschel saust und unwillkürlich ein seichtes Gefühl von Fernweh hinterlässt. Neben diesem sehr eigängigen Stück, das man schon nach wenigen Hördurchläufen vor sich herzusummen beginnt, bilden "Bad Weather" und "Erased" die Höhepunkte auf "Reflection". Beide Tracks werden von zarten Klavierkompositionen getragen und lassen der mittlerweile recht gereiften Stimme Noémies ausreichend Raum, um sich zu entfalten. An die Produktion von "Reflection" knüpften Hooverphonic einige selbst erdachte Regeln. Zum einen einigte man sich darauf, alle Aufnahmen analog zu tätigen, um einen Gegenpol zur aktuellen Digitalisierung des Sounds zu schaffen. Auf der anderen Seite riefen die Musiker das Projekt "Hooverdomestic" ins Leben. Im Rahmen dessen konnten Neugierige ihr eigenes Haus zur Verfügung stellen, damit die Band dort ihre Songs einspielte. Eine in ein Loft umfunktionierte Ziegelbrennerei in Boom, zwei herrschaftliche Anwesen in Gent-Brugge und der Champagne, eine Farm in Kermt und eine Kirche wurden so zum Ort des Geschehens. "Reflections" ist vielleicht nicht Hooverphonics markantestes, dafür aber definitiv eins der vitalsten Alben der Gruppe.
Sie hatten nie ein wirkliches Zuhause. Nate Eiesland, Alissa Ricci und Ryne Estwing tingelten lange Zeit durch die Musikszene, spielten mal hier und mal da, lernten allerhand interessante Menschen kennen und waren am Ende doch immer nur eine Art engagierter Gastauftritt. Es fehlte jenes Gefühl, das sich einstellt, wenn man weiß, dass man angekommen ist. Stetig umtrieb die drei Musiker die Sorge, die provisorisch aufgestellten Zelte wieder abbrechen und weiterziehen zu müssen. Im Laufe der Jahre war das Material, mit dem sie ihre notdürftigen Bleiben wieder und wieder zusammenschusterten, stark in Mitleidenschaft gezogen und die anfangs noch so reichlich vorhandenen Energien fast komplett aufgebraucht. Ein radikaler Umschwung musste her. Zu dritt entschloss man sich, nicht mehr auf Gelegenheiten und Bandkollegen zu warten, um irgendwann in der Zukunft ein Projekt zu realisieren, das Bestand haben könnte. Nein, das Gespann stellte fest, dass sechs Hände ausreichen, um damit ein stabiles Haus zu erbauen. Mit Freundschaft und geteilten Erfahrungen als Fundament errichteten die Chicagoer 2012 schließlich die Wände ihrer gemeinsamen zukünftigen Bleibe. Dort findet das Trio seither Schutz und Raum, sich zu entfalten. Auf die Klingel schrieben unsere Akustik-Architekten in großen Lettern On An On.
"Give In"
Jedes Bauwerk benötigt einen gut durchdachten Konstruktionsplan, um später nicht ins Wanken zu geraten. Selbiger bestand im Fall von On An On aus zehn Stücken, die sich unter dem Namen "Give In" zusammenfassen lassen. Das im März beim Berliner Label City Slang erschienene Album ist, nicht nur was das wunderschöne Cover betrifft, ein echter Hingucker. Irgendwo zwischen Indierock und Dream Pop, zwischen Shoegaze und Chillwave, sind Alissa, Ryne und Nate sesshaft geworden. Dass es ihnen dort ziemlich gut zu gefallen scheint, spürt man als Hörer, wenn einen die Passion, die Tracks wie dem Endlosstück "I Want To Say More" innewohnt, packt und nicht mehr loslässt. Lange zuvor kursierte bereits die eingängige Single "Ghosts" im Internet und wurde als erster Grundstein für eine erfolgreiche Karriere angesehen. Dass all die Spekulationen recht behalten könnten, wird spätestens dann klar, wenn man sich den Rest des Debüts von On An On zu Gemüte führt. Wenige Platten besitzen die Kraft, derart energetisch nach Jugend, Unvergänglichkeit und Freiheit zu schreien, ohne dabei gleichzeitig naiv oder gar einfältig zu wirken. Man nimmt Songs wie "Every Song In The World" oder "War Is Gone" jedweden Ehrgeiz ab, den sie ausstrahlen. Bewundernswert. Und doch besitzen die lyrischen Qualitäten von On An On Tiefgang. Die Texte künden ebenso von Verlust wie von den Hindernissen, die das Leben für jeden Einzelnen bereithält. Ein absolutes Hörvergnügen!
Jetzt seid ihr gefordert! Ran an die Tasten und teilt uns bis spätestens kommenden Freitag, den 15.11.2013, mit, warum ihr gerne eins von zwei Vinyl-Exemplaren des Albums "Give In" gewinnen würdet, welche wir aktuell in unserer Verlosung bereithalten. Aus allen Teilnehmern wird unsere Losfee am Wochenende die Gewinner ziehen. Mitteilen könnt ihr euch über die bekannten Wege.
Ein gespannter Bogen, der fast zu Reißen droht. Dieses Bild verdeutlicht wohl
ganz gut, was die Kompositionen des Kopenhagener Quartetts When Saints Go Machine seit ihrer Gründung im Jahr 2007 so unglaublich erfolgreich macht. Die vier Dänen sind Grenzgänger, wenn es gilt, die Extreme der akustischen Belastbarkeit zu erkunden. Furchtlos wagen sie sich in die exzentrischsten Regionen des Klanges vor und beherrschen dabei den riskanten Seiltanz wie keine zweite Band. Zwischen zerberstenden Kristallwelten aus spitzen Synthiesounds und brummenden Drumbeats wirkt die zitternde Stimme von Sänger Nikolaj Manuel Vonsil wie eine göttliche Nachricht, deren mannigfaltige Botschaften wohl kaum ein Hörer zu entschlüsseln in der Lage ist. Auf dem 2011er Album "Konkylie" treiben When Saints Go Machine das Spiel mit den sakral anmutenden Harmonien auf einen glänzenden Höhepunkt. Wo Mikro- auf Makrokosmos, Realität auf Traum oder Schöpfer auf eigenes Werk trifft, da sind Tracks wie "Add Ends" zuhause.
Vor über einem Jahr stellten wir euch mit Grizzly Bear's "Shields" ein Album vor, das die konsequente Weiterentwicklung einer Band hin zur völligen Klangexstase dokumentierte. Nie zuvor haben Ed Droste, Christopher Bear, Chris Taylor und Daniel Rossen geschlossener hinter einer ihrer Platten stehen können, als es bei dieser der Fall war. Monate lang wurde an den zehn darauf befindlichen Songs gepfeilt und geschliffen, bis schließlich jede einzelne Note an den Platz gerückt war, an dem sie aus Sicht der vier New Yorker am besten zur Geltung kommen konnte. Die Zufriedenheit über das entstandene Werk teilten auch zahlreiche Kritiker, die von den renommiertesten Fachblättern entsandt worden waren, um auf Bärenjagd zu gehen. Doch ließ sich das große Ungetüm nicht erlegen. Nein, nur aus der Ferne konnte man es beobachten, wie es majestätisch durch das Dickicht der Wälder zog. "Shields" wurde zum gefeierten und in zahlreichen Jahresrückblicken erwähnten Meisterwerk. Jetzt geht es für das vierte Studioalbum von Grizzly Bear in die Verlängerung.
"Shields: Expanded" / "Shields: B-Sides"
"Shields: Expanded" erweitert die ursprüngliche Tracklist von "Shields" um weitere acht Stücke, die auch einzeln als "Shields: B-Sides" erhältlich sind. Anscheinend wurde einmal auf die sonst sehr beliebte Marketingstrategie verzichtet, den Hörer dazu zu zwingen, sich ein Album, das er bereits besitzt, erneut kaufen zu müssen, wenn er in den Genuss weiterer akustischer Perlen gelangen will. Dass es sich aber in jedem Fall lohnt, ein Ohr auf "Shields: Expanded" zu werfen, steht dabei ganz außer Frage. Eröffnet wird die B-Seite von "Smothering Green", einem unveröffentlichten Song, der charmant lächelnd, erneut jenes Feuer entflammt, das sonst nach dem Endtrack "Sun In Your Eyes" zu erlöschen drohte. Nachdem man sich nun also auf ein zusätzliches Tänzchen mit den Indierockern eingelassen hat, gelangt man auch schon zu "Taken Down (Marfa Demo)". Selbige Rohversion aus einer frühen Phase der Entstehung von "Shields" klingt jedoch gar nicht so unfertig, wie man es der Bezeichnung nach vermuten könnte. Im Gegenteil, ihr Probenraumflair streichelt die Seele. Noch nie war man dem Schöpfergeist von Grizzly Bear näher. Da wirkt der Nachfolger "Listen and Wait" schon fast unnatürlich glatt. Doch bäumt sich hier der musikalische Meister Petz derartig imposant zu seiner vollen Größe auf, dass es den Betrachter umgehend zu Boden wirft. Bedrohlich und ehrwürdig wirkt das meterhohe Tier. Da traut man sich kaum, den Kopf zu heben, sondern sucht stattdessen lieber erneut Schutz in der zuvor besuchten Höhle. Die nach ihrem Entstehungsort benannten Marfa Demos von "Everyone I Know" und "Will Calls" sorgen dort für reinste Wohlfühlatmosphäre. Wie unendlich schade wäre es gewesen, wenn diese Stücke für immer in einer Schublade verschwunden wären. Nachdem man nun also fünf unbekannte Nummern aus der Feder von Grizzly Bear präsentiert bekommen hat, widmen sich die verbleibenden drei Tracks Remixen von Nicolas Jaar, den Liars und Lindstrom. Plötzlich klingt "Sleeping Ute" nicht mehr rau und aufschürfend, sondern erinnert eher an eine Eletropop-Ballade à la When Saints Go Machine. Auch "A Simple Answer (Liars Remix)" und "Gun-Shy (Lindstrom Remix)" haben kaum noch etwas mit ihren Blaupausen gemein. Völlig freihändig lernen sie erst zu laufen, dann zu springen und schließlich davonzufliegen.
Portland in Oregon gehört sicher zu den sehenswerteren Orten innerhalb der USA. Unter stetiger Beobachtung des eindrucksvollen Mount Hood hat sich im Laufe der Zeit eine moderne, verträumte Stadt entwickelt, die zwischen Moderne und Ursprünglichkeit eingeklemmt zu sein scheint. Geradezu bizarr wirkt da beispielsweise die Skyline aus Wolkenkratzern, die inmitten einer wuchernden, erdverbundenen Natur erwächst. Bekannt ist die Metropole am Willamette River aber auch für seine recht stattliche Independent-Musikszene. Ob Bands wie Gossip, Portugal. The Man, Modest Mouse oder The Decemberists, sie alle können Portland als ihre akustische Geburtsstätte bezeichnen. Und dann sind da noch Menomena. Ende 2000 wurde die Formation von Danny Seim, Justin Harris und Brent Knopf ins Leben gerufen. 13 Jahre und fünf Alben später hat das Gespann mit Joe Haege einen würdigen Ersatz für Knopf gefunden, der Menomena 2011 verließ, um sich voll und ganz auf sein Soloprojekt Ramona Falls zu konzentrieren. Wir möchten uns heute jedoch jenem Werk widmen, an dem der Sänger, Gitarisst, Keyboarder und Bassist Knopf zuletzt beteiligt gewesen ist. "Mines" (2010) ist nach "I Am The Fun Blame Monster!" (2003), "Under An Hour" (2005) und "Friend And Foe" (2007), das vierte Studioalbum Menomenas. "Mines" wurde auf dieselbe Weise hergestellt, wie wir schon immer Musik gemacht haben. Wir jammten und nahmen spontan Hunderte von Loops auf, unter Verwendung der immer gleichen alten und treuen Software, die Brent einst als eine College Aufgabe programmiert hatte. Jeder für sich hat die resultierenden Loops anschließend wie ein Puzzle zusammengefügt, unter Zugabe von Gesängen und Sentimentalitäten. Dabei machten wir große Fortschritte im Erbauen skelettartiger Songstrukturen und arbeiteten anständig miteinander zusammen, als die Ideen Form annahmen. Aber wenn einem von uns ein Stück zu vertraut wurde, pflückten es die anderen beiden Mitglieder wieder auseinander, während man sich gegenseitig das Herz brach.
"Mines"
Mit diesen Worten beschreibt Seim die Entstehung von "Mines" in dem Pressetext, den City Slang zur Veröffentlichung des Albums herausgab. Die Platte wird begleitet von einem undurchdringlichen Schleier aus Understatement. Seien es die Aussagen in Bezug auf Botschaften und Inhalte der Scheibe oder die schlichte Aufmachung des CD-Cases. Selbiges wird von einem Cover geziert, auf dem eine von Pflanzen überzogene Frauenskulptur zu sehen ist. Einmal die Hülle geöffnet, erwartet den neugierigen Betrachter eine gähnende weiße Leere, die erst dann durchbrochen wird, wenn er die CD herausnimmt und plötzlich die Augen eben erwähnter Statue direkt in seine Seele zu blicken versuchen. Ergänzt wird die Gestaltung von "Mines" schließlich durch ein Comic-Poster statt eines Booklets, welches die Verwüstung jenes Ruhe austrahlenden Refugiums zeigt. Musikalisch öffnet "Mines" mit jedem neuen Track, eine weitere Tür in ein Labyrinth aus akustischen Zimmern. Ob schwerster melodiöser Verdruss ("Killemal", "Intil"), beschwingter Indie Pop ("Queen Black Acid", "Five Little Rooms"), aufkreischender Art Punk ("Taos", "Bote"), akzentuierter Folkrock ("Dirty Cartoons", "Lunchmeat") oder mystifizierte Noise-Rudimente ("Tithe", "Oh Boy, You're Such A Big Boy", "Sleeping Beauty"), es gibt nichts, was es klanglich nicht gibt. Hinzukommt, dass die unterschiedlichen Stimmen der drei Sänger dem Album immer wieder einen neuen Anstrich verleihen. Würde man an verschiedenen Stellen direkt in das Hörvergnügen hineingeworfen werden, könnte man wohl kaum nachvollziehen, dass es sich dabei um eine einzige, zusammenhängende Platte handelt.
Und wieder einmal dient der letzte Teil unseres mittwöchlichen Beitrages dazu, euch aufzufordern, an unserem Gewinnspiel teilzunehmen. Wir möchten dieses Mal von euch wissen, was für euch ein Refugium, beziehungsweise einen Zufluchtsort darstellt. Wer uns dies bis spätestens kommenden Freitag, den 08.11.2013, beantwortet, der wird eventuell am Ende von unserer Glücksfee auserkoren, ein CD-Exemplar von Menomenas "Mines" bald sein Eigen nennen zu dürfen. Mitgemacht kann wie immer über einen der bekannten Wege.
Der walisische Musiker Gruff Rhys von der Band Super Furry Animals äußerte sich mal wie folgt über einen Song seiner Kollegin Cate Le Bon.
"Bobbie Gentry und Nico streiten sich über ein Casio Keyboard. Die Melodie gewinnt."
In der Tat besitzt die aus Penboyr stammende Le Bon genau die unterkühlte Attitüde, die einst auch der amerikanischen Country Sängerin Gentry und dem Velvet Underground Starlet Nico zu großem Erfolg verhalf. Ein ganz eigener Schlag von Frauen möchte man zudem meinen. Vereinen sie doch allesamt eine gewisse Disharmonie in ihren Gesängen, die außerdem von einer charakteristischen Rotzigkeit untermauert wird. Hinzu kommen ein dunkles Timbre und der Wille, bewusst nicht jeden Ton treffen zu wollen.
"Mug Museum"
"Mug Museum", sprich eine Art Museum für Becher, so lautet der Titel des nun erscheinenden, dritten Albums von Cate Le Bon. Nach dem Tod ihrer Großmutter beschäftigte sich die Sängerin zunehmend mit ihrer Rolle innerhalb der eigenen Familie, aber auch in Bezug auf die Gesellschaft und das Leben als solches. Was heißt es, eine Frau zu sein? Dieser Frage einmal nachgegangen, landete Le Bon in einem wahren Gedanken- und Argumentationszirkel, dessen Auswüchse man nun schließlich auf "Mug Museum" bewundern kann. Es handelt sich dabei um eine Platte, die ihrem Sound entsprechend, auch Jahrzehnte früher hätte veröffentlicht werden können. Und doch bedeutet ein vorherrschender Sixties-Einschlag keineswegs, dass das heutzutage, 50 Jahre später, nicht wieder funktionieren kann. Erstaunlich ist jedoch die Authentizität mit der Le Bon Songs wie "No God" oder "Sisters" performt, ist sie doch selbst zu jener Zeit noch gar nicht geboren gewesen. Als Reinkarnation einer zart schimmernden Rockdiva bringt Le Bon nun einer neuen Generation von Hörern, die Klänge einer längst vergangenen Musikepoche näher. Und zwar ohne sie dabei ins Bombastische aufplustern zu müssen, wie es sonst vielerorts gerne der Fall ist. Nein, sensibel und behutsam erklingen Stücke wie "Are You With Me Now", "Cuckoo Through The Walls" oder das eindrucksvolle "I Think I Knew", ein Duett mit Perfume Genius. Während langsam die Erinnerung an Velvet Undergrounds "Femme Fatale" wieder lebendig wird, erfreut man sich an dem kleinen Wunderwerk, das Cate Le Bon erschaffen hat.